BernerZeitung, 18. November 2002
Jetzt fightet er mit Steinen
Das Boxen hat er aufgegeben, das Kämpfen nicht. Jetzt schlägt der Bildhauer Sam Thöni auf seine Steine ein. Heute Abend feiert er einen Sieg: Er bekommt den Worber Kulturpreis. Peter Steiger Die Gemeinde Worb ehrt Sam Thöni. «Einige meinen, der Preis sei überfällig», sagt Sam Thöni, lacht und zieht den Kopf ein. Boxerstellung, Gring verankern. Clown wollte er einst werden, daraus wurde nichts. Boxer ist er geworden, Amateur. Und Bildhauer: «jetzt fighte ich mit den Steinen», sagt er. Heute Abend bekommt er in seinem Atelier den Worber Kulturpreis. 5000 Franken sind das. «S Schümli» sei das, so Thöni, die Spitze einer Welle, die ihn zurzeit trage. Er sei «gut drauf», habe interessante Aufträge, «gueti Büez».
Clown, Boxer, Bildhauer
Den Clownkurs hat er in der Mimenschule und -truppe von Ernst G. Böttcher in Bern gesucht. Als Boxer hat er unter anderem bei Charlie Bühler trainiert. Den Bildhauer hat er nach einigen Stationen gefunden: Der 54-jährige Böniger absolvierte an der Schnitzlerschule in Brienz eine Lehre als Holzbildhauer. Dann war er Schüler bei Bildhauer Alfred Wymann in Dornach und besuchte die Kunstgewerbeschule Basel.
Putzteufel-Inferno
Seit 1979 hat er an seinem Wohnort Bowil ein eigenes Atelier. In Worb, am Ahornweg, führt er seit 1985 einen auf Grabmalkunst spezialisierten Lehrbetrieb. Daneben gibt er Kurse an der Berner Schule für Gestaltung. Arbeiten von Thöni sind unter anderem beim Gemeinschaftsgrab in Bowil zu sehen oder beim Schulhaus Grünenmatt. Ausserdem wurde sein Schaffen an rund zwei Dutzend Ausstellungen dem Publikum vorgestellt. In Bowil malt er vor allem, im Worber Atelier arbeitet er mit Stein. So stellen sich Putzteufel die Hölle vor: überall Staub vom Schleifen, Bohren, Polieren. Staubig sind auch die Fenster, durch die man den Friedhof sieht. «Manches Grabmal ist zum Sterben kitschig», schimpft Thöni. Damit meint er zum Beispiel das Handörgeli, das zusammen mit einem Chueli auf den Stein muss.
Freier Künstler
Ist Grabbildhauerei für ihn Broterwerb? «ja, aber ich mache das gerne», sagt er. Noch lieber arbeitet Sam Thöni allerdings als freier Künstler. Entweder lässt er sich dabei von Naturformen inspirieren, oder er entwirft Figürliches und Abstraktes von Grund auf neu. «Erst skizziere ich», so Thöni, «dann forme ich ein Wachsmodell, das ich ausgiesse.» Anhand dieser Verkleinerung realisiert er das Original.
Beiz statt Künstlerklause
Sam Thöni verwendet Granit, Carrara- und Cristallina-Marmor. Daneben entstehen auch Guss-Skulpturen. Zur Illustration holt Thöni das kopulierende Paar, stellt es auf den Tisch, demonstriert, dass es sich trennen lässt, und erklärt, dass so etwas aus Bronze 2500 Franken koste. «Weil nicht alle ein dickes Portemonnaie haben, arbeite ich auch mit günstigerem Material», erklärt er. Polyurethan mit Bronzepulver ist das. Sieht aus wie Bronze, fühlt sich an wie Bronze, kostet jedoch nur einen Drittel. Für 700 bis 800 Franken kann man sich das Pärchen ins Schlafzimmer oder sonst wohin stellen. Trotz Mehrfachguss gilt so was als Original. Vier Stück haben der Künstler hergestellt. Sam Thöni wohnt nicht im Elfenbeinturm. Er weiss, was die Leute beschäftigt. Das Geld zum Beispiel. Er sei im Worber Kulturleben präsent, lobt die hiesige Kulturkommission den Preisträger. Er hocke halt auch mal gerne in den Beizen, präzisiert Sam Thöni. Gut möglich, dass man dort weniger die in den Papieren erwähnte «tief aus dem Inneren geschöpfte Schaffenskraft» diskutiert. Dafür versteht man in der Beiz anderes umso besser. Künstler Sam Thöni: «Nach einem Tag chrampfen schmerzen mir die Hände.»